Wie gut kommt man in Ambergs Innenstadt zurecht, wenn man ein Handicap hat?
Sarah Danzer ist Schülerin der ISE Berufsfachschule für Altenpflege und hat uns erlaubt, einen Bericht über den Selbstversuch ihrer Klasse mit euch zu teilen:
„Am Freitag, den 05.05.2017 haben wir, die angehenden examinierten Altenpflegefachkräfte der AP 5, einen Selbstversuch gestartet: eine Rollstuhl-Selbsterfahrung. Wir mussten am eigenen Leib erfahren, wie barrierefrei – oder eben nicht – unsere schöne Altstadt ist.
Eine Schülerin startete mit dem Rollstuhl der Schule ab dem Postgebäude. Sie merkte schnell wie anstrengend das ist. Wir haben uns dann in mehrere Gruppen aufgeteilt,um möglichst viele Eindrücke zu bekommen.
Das erste Hindernis war bereits die Ampel gegenüber der Poststelle. Diese hat eine extrem kurze Grün-Phase, dass selbst Fußgänger die Straße bei grün nicht komplett überqueren können. Eine Gruppe begab sich direkt zum Amberger Bahnhof. Dieser hat viele Stufen, um auf das Gleis Richtung Nürnberg zu kommen. Dafür gibt es einen Überweg über die Gleise weiter hinten, der durch das Personal geöffnet werden muss. Auch in den Zug kommt man mit einem Rollstuhl nicht so leicht. Man muss als Rollstuhlfahrer anmelden wenn man verreisen möchte, dass das Rote Kreuz mit einer Art Hebebühne anrückt und denjenigen in den Zug befördert.
Mit einem Rollator gestaltet sich die Sache dann schon schwerer. Man muss die Treppen nutzen und selbst in den Zug kommen.
Die anderen Gruppen sind Richtung Innenstadt gegangen. Bereits bei der ersten Kreuzung beim Backwerk hatte unsere Rollstuhlfahrerin Probleme. Durch den abfallenden Weg hatte sie vom Bremsen Blasen an den Händen und Schmerzen in den Armen. Der Weg in die Stadt ist teilweise durch die großen Pflastersteine gut befahrbar, aber manche Geschäfte stellen genau dort ihre Werbeschilder auf, was Menschen mit Rollstuhl oder Rollator den Weg sehr erschwert. Die Eingänge vieler Geschäfte haben auch kleine Stufen vor der Eigangstüre. Wir hatten beim hineinfahren Angst nach hinten umzukippen. Diese Stufen sind beispielsweise vor dem Backwerk, der Sonnenapotheke, der Stadtbibliothek oder Tchibo zu finden.
Mit einem weiteren Rollstuhl, den das Caritas Marienheim zur Verfügung stellte, ging eine weitere Gruppe mit dem Rollstuhl auf Erkundungstour. Wir wollten von der Martinskirche zur Stadtsparkasse, jedoch stehen die Stühle der Metzgerei Hottner, des Lieblingsplatzes und des Colombas sehr eng zusammen und es war Millimeterarbeit zwischen den Tischen und Stühlen durchgeschoben zu werden. Auch das Kopfsteinpflaster auf dem gesamten Marktplatz ist ein großen Problem. Die schmalen Vorderreifen blieben teilweise in den Spalten zwischen den Steinen stecken.
Unsere Shopping-Damen nahmen die Mode-Geschäfte genauer unter die Lupe und bemerkten, dass Geschäfte wie z.B. Müller, H&M, K&L Ruppert oder C&A sehr gut zugänglich sind. Jedoch fanden wir auch dort einige Probleme für Menschen mit körperlicher Behinderung. Beim Müller sind die Gänge sehr eng und im großen Mittelgang stehen viele Werbeständer. Der Aufzug war für uns jedoch das größte Problem: der Knopf zum Rufen des Aufzugs ist sehr hoch, die Aufzugtüren gehen nach außen auf und sind sehr schwer, was extrem unvorteilhaft für Rollstuhlfahrer ist. Ohne Hilfe hatte keiner von uns eine Chance in den Aufzug zu kommen.Im Innenraums des Aufzugs ist es sehr eng, was die Begleitung von Rollstuhlfahrern sehr erschwert.
Bei H&M waren die Gänge ebenfalls sehr eng, jedoch gibt es einen Aufzug, der gut zugänglich ist und groß genug für Rollstuhl und Begleitperson.
Bei C&A hatten wir unsere Probleme. Um im hinteren Teil des Ladens in die Abteilung zu kommen, muss man eine sehr steile Rampen hinunter fahren. Unsere mutige Mitschülerin traute sich und versuchte langsam nach unten zu rollen, was ihr jedoch nicht gelang, die Reifen des Rollstuhls standen still, aber sie rutschte die Rampe herunter. Wenn wir sie nicht am Rollstuhl gehalten hätten, wäre sie gradewegs in einen Kleidungsständer gerast. Um in den oberen Stock des Geschäftes zu gelangen, gibt es einen Aufzug der auch gut zugänglich groß genug ist.
Irgendwann trieb der Hunger eine Gruppe zum Kochlöffel. Das Bestellen und Essen an den Tischen klappte sehr gut. Nur der Gang zur Toilette war nicht so toll. Die Türen sind viel zu schmal für einen Rollstuhl, was es unmöglich macht ins innere zu gelangen. Man muss also zu den öffentlichen Toiletten im Rathaus fahren um auf die Toilette gehen zu können. Dort sich die Toiletten behindertengerecht ausgestattet mit vielen Haltegriffen und viel Platz.
Wir haben viele mitleidige Blicke von anderen Menschen erhalten. Das bemerkten wir jedoch eher bei Jüngeren, als bei Senioren. Kinder waren sehr aufgeschlossen und offen uns gegenüber. Sie lächelten uns an und winkten, ohne voreingenommen zu sein.
Nun zu unserem Fazit:
Wir persönlich würden die Innenstadt mit Rollstuhl meiden, da zu viele Barrieren sind. Zum Einkaufen würden wir Real oder Kaufland bevorzugen, obwohl man beim Weg zum Real an der Pflegerkreuzung vorbei muss und der Bürgersteig extrem hoch ist. Jedoch hat man bei Real gleich mehrere Geschäfte drumherum, wie auch beim Kaufland. Dort ist auch alles barrierefrei und besser für Rollstühle als die Geschäfte in der Innenstadt.
Wir würden uns für die Innenstadt einen durchgängigen Fußgängerweg und elektrische Türöffner wünschen, da ein Umbau oft wegen Denkmalschutz nicht möglich ist.“
Vielen Dank für den Text!